Schrödingers Katze lebt auf dem Land

Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land ist ein Verfassungsgebot und ein unerfüllbares Mantra für jede Bundesregierung. Doch mit steigenden Mieten in Städten und dem Homeoffice-Trend entdecken die Bürger eine neue Liebe zum Land. Dort treffen sie auf Innovationen, Projekte und Initiativen. Und direkt nebenan auf Leerstand und sterbende Dörfer. Ein Überblick zu Horst Seehofers »Plan für Deutschland« zum Ende des Jahres 2023.

Spätestens dann, wenn die Arztpraxis im Dorf keinen Nachfolger findet, der Supermarkt schließt und in der letzten Kneipe die Lichter ausgehen, empfinden Bürger die politische Diskussion um die »Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land« als Farce, Artikel 72 des Grundgesetzes (GG) als realitätsfern. Von einer Trendumkehr und einer neuen Landlust hingegen spricht im Jahr 2023 die Stiftung Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in ihrer Studie »Neu im Dorf«.

Zwischen diesen beiden Realitäten liegen das Jahr 2019 und die Kommission für »Gleichwertige Lebensverhältnisse« der Bundesregierung, die Pandemie und das deutsche Raumordnungsgesetz. Und irgendwo dazwischen auch Schrödingers Katze. Das Dorf und das Landleben sind beides – es stirbt, ist tot und munter zugleich. Manchmal nur ein paar Kilometer weiter oder ein paar Jahre später. Artikel 72 GG und die gleichwertigen Lebensverhältnisse sind wie Quantenphysik.

Neue Lust auf das Land

Vielleicht hat Horst Seehofer das gewusst, als er 2019 als amtierender Bundesinnenminister die Ergebnisse seiner Kommissionsarbeit unter dem Motto »Unser Plan für Deutschland – Gleichwertige Lebensverhältnisse überall« vorstellte. Im Homeoffice saß er bei dieser Pressekonferenz jedenfalls nicht. Das wurde erst ab 2020 mit Covid-19 zum Trend und mit explodierenden Mietpreisen schließlich zur Flucht aus der Stadt – nun spricht man von Landlust.